Pädagogisches Making stellt eine facettenreiche Herangehensweise an Bildung und Lernen dar, die zunächst die Frage des „Warum“ – also die problemlöseorientierte Motivation – betont, bevor sie sich dem „Was“ – der Problemlösung – und dem „Wie“ – dem Weg zur Problemlösung, beispielsweise der Nutzung der im Makerspace verfügbaren Geräte und Möglichkeiten – widmet.
Was ist Making?
Making ist – ähnlich wie Design Thinking – sowohl eine Methode als auch ein Mindset. Making ist eine Methode, die durch Aktivitäten definiert wird, bei denen Menschen Produkte aktiv entwickeln, adaptieren, gestalten und produzieren, oft aber nicht zwangsläufig unter Einsatz digitaler Technologien. Das damit verbundene Mindset betont Offenheit und Vielschichtigkeit und unterscheidet sich deutlich von einfachem Basteln oder Werken, da es nicht darum geht, Aufgaben oder Projekte vorzugeben oder Werkzeuge ohne persönliche Motivation zu nutzen.
Die Making-Bewegung
Ursprünglich außerhalb des Bildungsbereichs entstanden, beinhaltet die Making-Bewegung Mitmach-Werkstätten wie Makerspaces, Fablabs oder Repair Cafés. In diesen Räumlichkeiten treffen sich Menschen, um Talente zu vereinen, teure Geräte und Werkzeuge zu teilen und sich auszutauschen. Die Ergebnisse sind vielfältig und reichen von Robotern und Ersatzteilen für Haushaltsgeräte bis zu digitalen Produkten und Ideen, idealerweise unter Einbeziehung aller Generationen.
Grundlagen des Pädagogischen Making
Pädagogisches Making fußt u.a. auf reformpädagogischen Ideen und dem Konstruktivismus. Nach Marotzki und Jörissen (2010) soll es dazu beitragen, vorhandene Strukturen und Muster der Weltordnung durch komplexere Sichtweisen zu ersetzen. Bildungspotenziale wie Selbstwirksamkeit, Empowerment, gesellschaftlicher Gestaltungswille, Partizipation, Medienkritik, Teamwork und ein offenes Lernsetting werden hervorgehoben. Die Förderung von Medien- und Zukunfts-Kompetenzen und die Technikaneignung dienen dabei einem persönlich relevanten Zweck, wobei Medien eine Distanzierung von bestehenden Weltsichten ermöglichen (Jörissen, 2011). Das Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche lernen, die Zukunft verantwortungsbewusst mitzugestalten. Das Ergebnis des Making-Prozesses ist offen und ermöglicht einen Erfahrungsraum, in dem Bildungsprozesse stattfinden können, wobei die Erfahrung des Making-Angebots weniger als pädagogischer Prozess, sondern vielmehr als Teilhabe in einer Gemeinschaft empfunden wird.
Pädagogisches Making, zukunftsorientiertes Lernen und Selbstwirksamkeit
Making ist untrennbar mit zukunftsorientiertem Lernen verbunden, da es zentrale Elemente wie Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration, aber auch die persönliche Entwicklung und den Fokus auf die Gesellschaft (Demokratiebildung) – die sogenannten 6Cs of Deep Learning – in den Lernprozess einbezieht. Diese Fähigkeiten sind entscheidend, um Kinder und Jugendliche auf unsere komplexe und exponentielle Zukunft vorzubereiten. Durch Making werden diese Kompetenzen in realen, bedeutungsvollen Projekten entwickeln, was die Relevanz und Tiefe des Lernens erhöht. Es fördert darüber hinaus Persönlichkeitsentwicklung und Demokratiebildung, indem es die Kinder und Jugendlichen dazu anregt, über ihre unmittelbare Umgebung hinauszudenken und an größeren Gemeinschaftsprojekten teilzunehmen, die sie mitgestalten und an denen sie wachsen können. Zukunftsorientiertes Lernen durch Making geht also weit über die bloße Technologienutzung hinaus und betont stattdessen ein tiefgreifendes Verständnis für nachhaltige Entwicklung und Problemlösekompetenzen.
Die Selbstbestimmungstheorie, welche die Bedeutung von Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit für die Motivation und Persönlichkeitsentwicklung betont, ist im Kontext von Making besonders relevant. Making befähigt Menschen jeden Alters, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen, was das Gefühl der Kompetenz und Selbstwirksamkeit stärkt. Diese Erfahrungen der Selbstwirksamkeit sind essenziell, da sie den Glauben an die eigenen Fähigkeiten fördern und so die Grundlage für ein lebenslanges, selbstbestimmtes Lernen und die Mitgestaltung der Zukunft bilden. Die soziale Komponente des Makings, welche die Kollaboration in einer Gemeinschaft beinhaltet, spricht zudem das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und sozialer Eingebundenheit an.
Zukunftsorientiertes Lernen im Rahmen des Makings bedeutet also, dass Lernende nicht nur Wissen und Fähigkeiten erwerben, sondern auch Einstellungen und Werte entwickeln, die sie befähigen, aktiv an ihrer persönlichen und der globalen Zukunft teilzuhaben und diese mitzugestalten. Making schafft einen Lernkontext, der die Entwicklung von Kompetenzen unterstützt und den Lernenden Handlungsfähigkeit für die Zukunft verleiht. In diesem Sinne wird der Raum des Makerspaces zu einem Laboratorium, in dem die Prinzipien des zukunftsorientierten Lernens erlebbar gemacht werden und das Lernen in einer Weise stattfindet, die den Rahmen des OECD Learning Framework 2030 widerspiegelt, da es in diesem Framework darum geht, einen Raum zu bieten, in dem sich Kompetenzen aus Wissen, Qualifikationen und Haltungen und Werten entwickeln können, die auf die Gestaltung der Zukunft vorbereiten.
Pädagogisches Making & die Inner Development Goals
Die Inner Development Goals (IDGs) beziehen sich auf die persönliche Entwicklung und die Ausbildung innerer Kompetenzen, die für das Gelingen der Sustainable Development Goals (SDGs) wesentlich sind. Diese inneren Kompetenzen umfassen Aspekte wie emotionale Intelligenz, Resilienz, Achtsamkeit und ethische Führung.
Making kann als eine Praxis betrachtet werden, die diese inneren Entwicklungsziele direkt unterstützt, da es Maker:innen nicht nur in technischen und kreativen Fähigkeiten schult, sondern auch in sozialen und emotionalen Kompetenzen. Durch die aktive Teilnahme an Making-Aktivitäten:
- entwickeln Maker:innen Empathie durch die Zusammenarbeit mit anderen und die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche der Nutzer ihrer Kreationen.
- stärken sie ihre Resilienz, indem sie lernen, mit Rückschlägen umzugehen und Persistenz zu zeigen, wenn Projekte nicht wie geplant verlaufen.
- üben sie Achtsamkeit, da Making oft ein tiefes Eintauchen in den kreativen Prozess und ein bewusstes Engagement mit dem Material und der Aufgabe erfordert.
- fördern sie ethisches Denken und Handeln, indem sie über die Auswirkungen ihrer Erfindungen auf die Gesellschaft und die Umwelt nachdenken.
- erhöhen sie ihre Selbstkenntnis, da sie während des Making-Prozesses eigene Interessen und Fähigkeiten erkunden und reflektieren.
Die IDGs betonen die Notwendigkeit, sich sowohl auf die äußere Welt durch die SDGs als auch auf die innere Welt durch die IDGs zu konzentrieren. Making ermöglicht es, beides zu integrieren, indem es den Kindern und Jugendlichen hilft, sich selbst besser zu verstehen und zu entwickeln, während sie gleichzeitig praktische Lösungen für reale Probleme schaffen, die zur Erreichung der SDGs beitragen können. Indem Making die Lernenden dazu anregt, über den Zweck und die Bedeutung ihrer Projekte nachzudenken, trägt es zur Bildung verantwortungsvoller und reflektierter Weltbürger:innen bei, die die Fähigkeiten und die innere Motivation besitzen, positive Veränderungen zu bewirken.
Grundlagen von Makerspaces
Konzepte, auf denen pädagogische Makerspaces aufgebaut werden, müssen einige Voraussetzungen erfüllen, um die Idee des Making so zu implementieren, dass zukunftsorientiertes Lernen möglich wird.
Haltung
Die Grundhaltung im Making betont die Wertschätzung aller Ideen und die Überlegung, ob diese umsetzbar sind bzw. die Entwicklung von Ideen, um sie umsetzbar zu machen. Kinder und Jugendliche können im Making auch die Rolle von Expert:innen einnehmen, und selbst das Scheitern und daraus Lernen wird als Teil des iterativen Prozesses gesehen – ähnlich wie das auch im Game-based Learning der Fall ist. Erwachsene bringen zwar ihre Kompetenzen durchaus an geeigneter Stelle ein, ohne jedoch dominierend einzugreifen, was eine Herausforderung darstellen kann, da es dem traditionellen Bildungssystem, in dem Wissen vermittelt wird und Lehrkräfte im Vordergrund stehen und die eigenen Bedürfnisse und Interessen nicht relevant sind, entgegensteht. Subjektorientierung, Kreativität, Nachhaltigkeit und Offenheit sind wesentliche Elemente, wobei das Endprodukt zwar für Motivation und Reflexion wichtig ist, aber das Tun und der dabei ablaufende vielschichtige Lernprozess im Vordergrund stehen. Mögliche Ergebnisse des Makingprozesses sind offen und vielfältig. Sie können von konkreten physischen Produkten bis zu digitalen Kreationen oder Ideen reichen, die jeweils Ausdruck individueller Bildungsprozesse sind.
Methoden
Die Methoden des Making bieten viel Freiraum und Freiheiten. Dazu gehören verschiedene Einstiegsmöglichkeiten in Themen und das Kennenlernen digitaler Tools und ihrer Bedienung. Nicht zu empfehlen sind vorgefertigte Making-Projekte, die die Selbstwirksamkeitserfahrung im Keim ersticken. Obwohl es möglich ist, kleine Technikexperimente zum Nachbau anzubieten, darf dies keinesfalls das einzige oder primäre Angebot sein. Viel empfehlenswerter ist es, inspirierende Produkte aus Makingprozessen zur Inspiration anzubieten, verbunden mit auf individuellen Vorerfahrungen und Interessen basierende Tutorials, Selbstlernkursen und Materialangeboten, sowie der Präsenz von Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen, die zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Viele dieser Angebote können auch von jungen Maker:innen entwickelt werden und es kann ein Peer-Tutoren-System etabliert werden. Der Fundus an Inspirationen kann somit organisch aus dem Angebot heraus wachsen.
Im Idealfall besteht der Eintritt in die Making-Szene aus einer kurzen Einführung in die Grundhaltung, die hinter dem Making steht, praktischen Makingerfahrungen (nur im Notfall Nachmachaktivitäten), um anschließend ins freie Making überzugehen, dessen Ergebnisse dann präsentiert werden. Prinzipiell gilt: Der Ursprung des eigentlichen Making-Prozesses muss der Mensch sein, der Makingprozess, der die meiste Zeit in Anspruch nimmt, muss für das Individuum relevant sein.
Örtlichkeiten & Werkzeuge
Der Makerspace ist der ideale Raum für die Entwicklung von Zukunftskompetenzen, gestaltet als offene Werkstatt mit Materialien und Werkzeugen für diverse Making-Erfahrungen. Hierzu gehören Regale mit Bastelmaterialien, eine Auswahl an Robotern, 3D-Drucker, Lasercutter, Kreativtische, Laptops oder Tablets, Videoequipment, XR-Equipment und eine Werkbank mit weiteren Werkzeugen. Auch an Aufbewahrungsmöglichkeiten für fertige oder angefangene Projekte sowie geeignete Software (z.B. Digitale Spiele, CoSpaces Edu, BLOCKALOT/Minetest, Unity …) sollte gedacht werden.
Literatur
Die zugrundeliegende Literatur besteht aus Werken, die sich mit den theoretischen und praktischen Aspekten des Makings auseinandersetzen. Dazu zählen
Jörissen, B. (2011). Medienbildung – Begriffsverständnisse und Reichweiten. In H. Moser, P. Grell, & H. Niesyto (Hrsg.), Medienbildung und Medienkompetenz – Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik (S. 211-235). München.
Marotzki, W., & Jörissen, B. (2010). Dimensionen strukturaler Medienbildung. In B. Herzig, D. Meister, H. Moser, & H. Niesyto (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 8. Medienkompetenz und Web 2.0 (S. 19-39). Wiesbaden.
Schön, S., Ebner, M., & Narr, K. (2016). Making-Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen. Handbuch zum kreativen Gestalten. Abgerufen von Link.
Bildquellen
- Makerspace: Benjamin Thomas | Unsplash