Throwback Saturday: 15 Jahre später

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In den letzten zwei Wochen stellte ich mehrfach in Diskussionen in meinen Netzwerken fest, dass sich meine Herangehensweise an das Thema Lernen im 21. Jahrhundert in den letzten sieben Jahren einerseits drastisch verändert hat, meine grundlegende Einstellung seit damals jedoch konsistent geblieben ist. Nun habe ich durch Zufall heute meine 2. Staatsexamensarbeit, die ich seit Jahren vergeblich gesucht hatte, auf meinem PC gefunden. Bei der Lektüre der Arbeit wurde mir klar, dass ich offenbar schon vor 15 Jahren die gleiche grundlegende Haltung hatte – und dass sich seit damals nur wenig am System Schule verändert hat.

In einer der erwähnten Diskussionen ging es um einen Blogartikel, den sein Autor vor mehreren Jahren zum Thema Digitale Tools in der Bildung geschrieben, aber an diesem Tag erneut geteilt hatte und den ich nach einer oberflächlichen Lektüre heftig verurteilte, weil die geschilderten Forderungen meines Erachtens zu stark auf die Technologie und zu wenig auf die Veränderung des Lernens abzielten. Im Laufe der Diskussion stellte sich heraus, dass wir uns zwar in vielerlei Hinsicht einig waren, doch an meinem Urteil hielt ich auch nach dem dritten Lesen fest. Gegen Ende des Diskussionsfadens wies mich der Autor allerdings darauf hin, dass man nicht vergessen dürfe, dass er den Artikel vor vier Jahren geschrieben habe und damals viele Dinge noch nicht vorstellbar gewesen seien. Da ich mich an mein eigenes Herangehen an digitale Tools erinnerte, war einer der letzten Sätze, die ich äußerte, „we all were different people a few years ago“.

Auch wenn ich offen zugebe, dass ich vor wenigen Jahren viel technikorientierter war als heute, habe ich mindestens in den letzten zwei bis drei Jahren, vielleicht auch schon etwas länger, stark davon Abstand genommen, Workshops mit Titeln wie „Kompetenzorientierung mit dem Tablet“, „Hörverstehen mit Audio-Lingua“ oder „Digitale Poster mit Glogster“ anzubieten. Wenn ich heute Anfragen zu solchen Themen bekomme, versuche ich zuerst die Ausrichtung in eine andere Richtung zu lenken, wenn dies scheitert, sage ich ab. Der Grund dafür ist, dass mir irgendwann klar wurde, dass es nicht um die Technik  geht, sondern darum, was die Technologie mit der Welt macht. Daher verurteile ich inzwischen eine technikorientierte Haltung scharf. Meine Gedanken hierzu haben ich erst vor wenigen Wochen klar auf meinem Blog unter dem Titel „Das Kreuz mit der Digitalisierung der Bildung“ formuliert. Dies geschah nicht früher, weil es mir logisch erschien, bis ich zunehmend feststellte, dass es offenbar nur für wenige Menschen so selbstverständlich war. Trotz allem ist es für mich keine Schande, zu meinen früheren Aktivitäten zu stehen und zuzugeben, dass meine Ansichten sich gewandelt haben. Das einzige was das belegt, ist dass ich dazu fähig bin, mich weiterzuentwickeln und wir alle lebenslange Lerner sind und bleiben werden.

Trotz einem gewissen Fokus auf Apps und Geräte in meinen Artikeln und Fortbildungen, habe ich dennoch im Rückblick seit etwa 2012 immer stärker kompetenz- und handlungsorientiert mit meinen Lerngruppen gearbeitet. Der größte Unterschied zu dem, was ich heute immer wieder betone, war vermutlich, dass ich – wenn auch mit fortschreitender Zeit weniger – viele Dinge vorgegeben und dadurch gelenkt habe und mein Fokus häufig auf der Metaebene lag. D.h. ich habe „Aufgaben“ gestellt, die für die Jugendlichen weder kontextualisiert noch besonders relevant für ihre Zukunft waren oder schienen. Beispielsweise ging es darum, einen Roman erlebbar zu machen. Damit bewegte ich mich lange Zeit auf der Ebene, die ich heute als „zeitgemäße Bildung“ (Modification im SAMR-Modell) bezeichne, während ich inzwischen der Meinung bin, dass wir uns im Sinne des zukunftsorientierten Lernens noch mehr auf unser aller Zukunft, die Zukunftskompetenzen der Jugendlichen und Problemlösefähigkeiten konzentrieren müssen, um eine Transformation des Lernens in einer chaotische (BANI-)Welt irgendwann möglich zu machen.

Credits: PetiteProf79 | CC BY-SA 4.0 International

Als ich nun meine Zulassungsarbeit zum 2. Staatsexamen nach 15 Jahren erneut durchlas, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich mich zwar damals in das System, in dem ich selbst sozialisiert worden war und dessen Weiterführung mit im Referendariat beigebracht wurde, eingefügt und die Lernerautonomie durch mein damaliges Vorgehen stark eingeschränkt habe, dass das von Weblogs begleitete Podcast-Projekt, das in der dokumentierten Einheit dargestellt wurde, jedoch bereits viele Aspekte enthielt, denen ich später zeitweise weniger Bedeutung zuschrieb. Sicherlich würde ich heute im Rückblick viele Dinge anders machen, das Thema Datenschutz ernster nehmen, doch kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass die Lerngruppe von damals sicherlich in ihrem weiteren Leben von diesem Projekt profitiert hat. Und während es beruhigend ist zu erkennen, dass ich wohl schon vor 15 Jahren die Welt mit anderen Augen sah als viele meiner Kollegen, so erschreckt es mich dann doch etwas, wenn ich daran denke, dass die Reaktionen der Kollegen auf dieses Projekt und meine Ansichten damals fast positiver ausfielen als Reaktionen von Kollegen auf so manches Projekt, das ich in den letzten Jahre umsetzte, und noch viel mehr auf meine Ansichten allgemein. Es bestärkt mich jedoch auch darin, meine – von vielen Menschen als zu fortschrittlich abgetanen – Ansichten noch lauter Ausdruck zu verleihen als ich das seit Jahren schon mache.

Diese Selbstreflexion ist in meinem Kopf zwar noch lange nicht abgeschlossen, doch möchte ich hier noch einige Einblicke in das Projekt bieten.

Blogs

Ein Teil der Reflexions- und Dokumentationsarbeit der Lernenden war in diesem Projekt ausgelagert in individuelle Blogs, die nach einem Beispielblog, den ich parallel führte, gestaltet war. Dieser Beispielblog ist nach wie vor online und enthält (in der Sidebar) Links zu den Blogs der Lernenden.

Abschlussarbeit mit Materialien (ohne Videos)

Podcast

 

Bildquellen

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