Am Donnerstag, den 7. Juni, fanden sich insgesamt etwas mehr als 10 TeilnehmerInnen im Adobe Connect Online-Raum des LPM Saarbrücken ein, um Christiane Behlings Vortrag zur Initiative „Tele-Tandem“ des Deutsch-Französischen Jugendwerks gespannt zu lauschen. Der Vortrag war sehr übersichtlich strukturiert, die Referentin verfügte über ein ausgezeichnetes Fachwissen und verstand es, dieses Wissen ruhig und anschaulich zu präsentieren. Zugleich behielt sie wie immer kompetent unterstützt von Jürgen Wagner den Chat im Auge und ging sofort auf Rückfragen ein, ohne sich jedoch dadurch auch nur im Geringsten aus dem Konzept bringen zu lassen.
Die Idee des Tele-Tandems basiert auf der Annahme, dass Fremdsprachenlerner am nachhaltigsten lernen, wenn sie zusammen mit einem Partner aus dem anderen Land an einem Projekt arbeiten. Mit anderen Worten handelt es sich also um einen projektbasierten deutsch-französischen Schüleraustausch, der sich die neuen Medien zu Nutzen macht, um das Potenzial eines Schüleraustauschs möglichst vollkommen auszuschöpfen und bei dem Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen soll.
Die Initiative Tele-Tandem ruht auf vier Eckpfeilern: einem gemeinsamen Projekt, das Lernen im Tandem, dem gezielten Einsatz der neuen Medien im Bildungsbereich und dem abschließenden Schüleraustausch.
Die Themenwahl des Projekts ist grundsätzlich frei, wobei man jedoch darauf achten sollte, dass es sich um ein interdisziplinäres Thema handelt, welches verschiedene Kompetenzen anspricht. Des Weiteren sollten sowohl Anfang als auch Ende klar definiert und die einzelnen Phasen klar voneinander getrennt werden können. Das Projekt dient als Ausgang für die Interaktion zwischen den beiden Austauschgruppen, die kommunizieren um das Projekt gemeinsam zum Abschluss zu bringen. Dieses gemeinsame Handeln in der Fremd- und Muttersprache soll in der Erarbeitung eines sichtbaren Endprodukts, wie z.B. einer CD, einem Theaterstück, o.ä. kulminieren. Neben der Handlungsorientierung sollte man zusätzlich noch darauf achten, den interkulturellen Faktor nicht zu vernachlässigen. Oftmals bieten sich Themen an, die in beiden Lehr- bzw. Bildungsplänen berücksichtigt werden und die dann automatisch zum interkulturellen Vergleich einladen.
Die Erarbeitung des Projekts sollte idealerweise im Tandem erfolgen. Bei jüngeren SchülerInnen kann man auch (zumindest zeitweise) auf Kleingruppenbasis arbeiten um die Interaktion trotz begrenzter sprachlicher Kompetenzen möglichst erfolgreich zu gestalten. Bei den Tandemphasen sollte vor allem das Ziel jeder Phase klar definiert werden, die notwendigen Redemittel werden normalerweise vom jeweiligen Muttersprachler zur Verfügung gestellt. Bei der Arbeit mit dem Tandempartner geht es vor allem um die Kommunikation außerhalb des unterrichtlichen Rahmens, also auch um die Konfrontation mit einer authentischeren Sprache als der Lehrbuchsprache.
Die projektbezogenen Tandemphasen erfolgen im Vorfeld des Schüleraustauschs mit Hilfe der neuen Medien, die in den Bildungsplänen auf beiden Seiten des Rheins mittlerweile – zumindest theoretisch – ihren Platz haben. Dies kann sowohl synchron (z.B. im Chat oder in der Videokonferenz) geschehen, als auch asynchron (per Email oder durch Foren). Je nach Ausstattung der Schule und der zur Verfügung stehenden Zeit können bestimmte Aufgaben auch zu Hause erledigt werden. Bei Videokonferenzen sollte man klare Regeln festlegen, wann welche Sprache gesprochen werden soll, eine Mischung der beiden Sprachen in einer Phase dürfte sich jedoch als ebenso wenig effektiv erweisen wir die Flucht ins Englische. Dabei ist es wichtig, die jeweils notwendigen sprachlichen Mittel im Unterricht vorzuentlasten, da man als LehrerIn im Prinzip je nach Aufgabenstellung voraussagen kann, welchen Wortschatz man zum produktiven Arbeiten benötigt.
Die Arbeit selbst kann, muss aber nicht, über die eigens dafür eingerichtete Moodle-Plattform erfolgen. Hier können Foren eingerichtet, Bilder und Texte eingestellt, Glossare und Wikis erstellt, sowie Ton- und Videodateien eingebunden werden. Sollte man noch keinen Partner für ein Tele-Tandem-Projekt haben, so bietet die dort abrufbare Partnerbörse auch eine Möglichkeit, einen Partner zu suchen. Natürlich kann man auch innerhalb bereits bestehender Schulpartnerschaften gemeinsam die Tele-Tandem-Plattform nutzen, da die tatsächliche Begegnung der beiden Partnergruppen integraler Bestandteil der Idee eines Tele-Tandems ist. Hier wird dann das bereits seit Monaten gemeinsam vorbereitete Projekt umgesetzt und die Tandemarbeit kann mit dem jeweiligen Austauschpartner vor Ort fortgesetzt werden, so z.B. beim Aussprachetraining oder dergleichen.
Nach dem persönlichen Treffen an einem Drittort oder in einem oder sogar beiden Partnerländern wird das Projekt wieder mit Hilfe der neuen Medien nachbereitet und das Ergebnis dokumentiert.
Somit gibt es also beim Tele-Tandem konkret die drei Phasen der Vorbereitung, der Begegnung und der Nachbereitung. Die Nachhaltigkeit der Begegnung ist eine natürliche Folge dieser projektbasierten Zusammenarbeit, die bereits in Gemeinschaftsarbeit vorbereitet und schließlich gemeinsam nachbereitet und evaluiert werden kann. Bei entsprechender Motivation von beiden Seiten – und dies nicht nur von Schüler- sondern auch von Lehrerseite – ist die Wahrscheinlichkeit, dass die SchülerInnen sprachlich profitieren und sich eventuell sogar reelle Freundschaften über die Ländergrenzen hinweg bilden weitaus größer als bei einem Austausch, welcher sich im Prinzip auf ein Kennenlernen per sporadische Emails oder über Facebook und zwei gemeinsam verbrachte Wochen beschränkt.
Wo die Begegnung stattfinden soll, an einem Drittort, am Heimatort einer oder beider Austauschgruppen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Für die Drittortbegegnung spricht, dass beide Gruppen frei sind, sich dem Projekt vollkommen zu widmen. Dies ist besonders dort vorteilhaft, wo es sich erwiesen hat, dass die Schüler der Gastschule nur schwer während dem Besuch ihrer ausländischen Gäste freigestellt werden können. Tendeziell wird die Drittortbegegnung wahrscheinlich zu einer besseren Gruppendynamik führen als der traditionelle Schüleraustausch. Allerdings entfällt bei der Drittortbegegnung die Familienkomponente, die ich persönlich für sehr wichtig und im Rahmen eines Schüleraustauschs für essenziell halte. Egal für welche Variante man sich jedoch entscheidet, das DFJW fördert beide Arten des Austausch gleichermaßen für eine Dauer zwischen 4 und 21 Tagen.
Eine ähnliche Art der Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg ist übrigens die europäische eTwinning-Initiative. Sie kann überall innerhalb der EU durchgeführt werden, wobei hier jedoch der inhaltliche Aspekt des Projekts im Fokus steht und nicht die Spracharbeit, welche beim Deutsch-Französischen Jugendwerk an erster Stelle steht.
Nachdem ich bereits bei CyberLangues 2011 einem Vortrag zu Tele-Tandem beigewohnt hatte und mein Interesse geweckt war, hat mir diese Fortbildung nun „den Todesstoß“ versetzt und ich brenne darauf, einmal ein Projekt in dieser Form durchzuführen – allerdings nur wenn die Grundvoraussetzungen dafür stimmen:
Die wichtigste Bedingung dafür, dass die Arbeit im Rahmen eines Tele-Tandems für alle Beteiligten zufriedenstellend verläuft ist meines Erachtens, dass die beiden verantwortlichen Lehrkräfte professionell an einem Strang ziehen und eine zumindest großteils übereinstimmende Vision eines Schüleraustauschs und der gemeinsamen Projektarbeit haben. Ohne diese gemeinsame Vision und die damit verbundene Begeisterung und Motivation kann ein Tele-Tandem noch viel mehr als ein herkömmlicher Austausch zu einem zumindest für einen Teil der Beteiligten sehr frustrierenden und demotivierenden Erlebnis mutieren. Und ist der Lehrer erst einmal negativ gepolt, so wird dessen Zurückhaltung oder fehlende Begeisterung automatisch auf seine SchülerInnen abfärben und sowohl der Austausch als auch das Projekt stehen unter keinem guten Stern. Dies soll nicht heißen, dass die beteiligten Lehrer große Sympathie füreinander empfinden müssen, jedoch sollten sie beide so professionell sein, dass sie zwischenmenschliche Aspekte ihren SchülerInnen und der Sache zuliebe hintanstellen und alles daran setzen, dass die SchülerInnen nachhaltig von dieser binationalen Zusammenarbeit profitieren und das Potenzial eines Austausches ausgeschöpft werden kann.
Obwohl natürlich der pädagogische Nutzen einer solchen Maßnahme für die SchülerInnen oberste Priorität hat und uns als engagierte LehrerInnen vor allem am Herzen liegen sollte, gilt es trotzdem realistisch zu bleiben und die Voraussetzungen im eigenen Land in die Überlegungen, ob man den Austausch um eine Projektarbeit mit Tele-Tandem erweitern möchte, mit einfließen zu lassen. Dazu gehört nicht nur die technische Ausstattung an der Schule – die im Übrigen eher vernachlässigbar ist wenn man flexibel ist – sondern auch die Zusammensetzung der Austauschgruppe und die Arbeitsbedingungen allgemein.
Wie stets in unserem Beruf müssen wir uns an unsere Schüler anpassen, um sie gerade so viel zu überfordern, dass sie motiviert bleiben. Dieser Aspekt spielt bei der Auswahl des Projektthemas und –ausmaßes eine entscheidende Rolle. Jedoch ist es auch nicht unerheblich, ob die SchülerInnen aus einer Klasse kommen oder aus verschiedenen Klassen und ob der betreuende Lehrer die Klasse im entsprechenden Fach unterrichtet. Trifft mindestens eine dieser Voraussetzungen zu, so halte ich es für unmöglich, ein auch noch so kleines Projekt mit Tele-Tandem zu realisieren, es sei denn man hat den Luxus, dass man eine Austausch-AG innerhalb des eigenen Deputats anbieten kann und so motivierte SchülerInnen hat, dass sie auch ohne Notendruck nur für die Sache mitarbeiten und sich anstrengen.
Schließlich müssen wir uns als oftmals schon durch den normalen Schulalltag mit 25 Deputatsstunden gut ausgelastete LehrerInnen auch fragen, wie viel Energie wir überhaupt in ein zusätzliches Projekt außerhalb unserer normalen Unterrichtsverpflichtung investieren können ohne unsere Gesundheit zu gefährden. Hier haben es unsere französischen KollegInnen vom Collège nicht selten um einiges einfacher, da sie weniger Stunden zu unterrichten haben, einen Austausch meist mit einer ganzen von ihnen unterrichteten Klasse planen und für Gewöhnlich keinerlei Zusatzbelastung durch das Abitur haben.
Ebenso stellt sich die Frage, wie die Schulgemeinschaft und nicht zuletzt die Schulleitung Austauschen gegenüber steht. Weiß man, dass der Einsatz als Arbeit (und nicht Urlaub) wahrgenommen und gleich wie jedes andere außerunterrichtliche Engagement geschätzt wird und dass man sich im Sinne der Schulgemeinschaft für das Völkerverständnis einsetzt und darum bemüht, die Handlungs- und Medienkompetenz der SchülerInnen zu fördern, so fällt es einem weitaus einfacher, ein gewisses Mehr an Energie aufzubringen als wenn dies nicht der Fall ist.
Nachdem ich nun seit zwei Jahren im Austausch meiner Schule mit einem Collège aus Paris involviert bin – einmal als Begleiterin, das zweite Mal als Alleinverantwortliche – und „nebenbei“ stets 25 Stunden, davon 1-2 Abiturklassen unterrichtete, der Austauschzeitraum sich mit der Erst- und Zweitkorrektur des Abiturs überschnitt und beim ersten Austausch mit der Kollegin aus Frankreich ein wirklich exemplarisches gemeinsames Weblog betreute, beim zweiten Austausch zusätzlich zum Weblog noch ein weiteres Videoprojekt mit meinen SchülerInnen durchführte, muss ich sagen, dass ich äußerst vorsichtig wäre, ein Tele-Tandem in Angriff zu nehmen, wenn ich nicht ganz sicher sein könnte, dass mich mit meinem französischen Kollegen nicht nur eine ähnliche Auffassung bezüglich des Ziels eines Austausches verbindet, sondern auch eine ähnlich geartete Motivation und den Wunsch, gemeinsam ein Projekt zu erarbeiten. In diesem Falle würde ich ohne zu zögern sofort mit den Vorüberlegungen beginnen und sei es nur für ein relativ kleines Projekt zum Anfang um auszutesten, was machbar ist. Die zweite Voraussetzung, die erfüllt sein müsste, wäre eine Deputatsstunde für die Organisation des Austauschs und die gemeinsame Arbeit am Projekt mit meinen SchülerInnen im Rahmen einer Austausch-AG, da ich in diesem Jahr leider nicht den Luxus hatte, über eine solche Stunde zu verfügen und deshalb viele Dinge erschwert wurden und in Mehrarbeit für mich ausarteten, auf die ich jederzeit hätte verzichten können – wobei ich sie unter den gegebenen Umständen trotz allem gerne auf mich genommen habe.
Wenn Sie sich die Aufzeichnung dieser hervorragenden Fortbildung ansehen wollen, so finden Sie sie im Archiv des LPM.
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