Simon Ensor, seines Zeichens Englischdozent an der Universität von Clermont Ferrand, sprach am 6. Dezember 2012 vor knapp 30 Zuhörern im AdobeConnect – Raum des LPM Saarbrücken zum Thema Podcasting mit dem Smartphone.
Das Smartphone ist für Ensor eine Art schweizer Taschenmesser für LehrerInnen, welches unter anderem dazu dient, den SchülerInnen zu ermöglichen, gehört zu werden. Und dies ist nur einer von vielen nützlichen Aspekten, was das Smartphone angeht (s. a. die Fortbildung mit Ulrike Montgomery zum Thema „Apps und Moodle“).
Zu Beginn wurde die Frage angesprochen, in wie fern sich Smartphone und Bleistift ähneln. Diese Diskussion basierte darauf, dass heute noch an vielen Schulen Handyverbot herrscht und aufgrund von Widerstand der Elternschaft und des Kollegiums auch nicht zu kippen ist (interessant hierbei ist, dass mLearning laut der Initiative ICT in Education der UNESCO sogar in Dritteweltländern erfolgreich eingesetzt wird). Zu den Parallelen zwischen Smartphone und Bleistift gehört nicht nur die Tatsache, dass man mit beiden Instrumenten seinen Ideen Ausdruck verleihen und kommunizieren kann, sondern auch, dass sie beide unter bestimmten Umständen sehr gefährlich sein können, nämlich dann, wenn sie den Schüler ablenken, dazu eingesetzt werden, andere zu ärgern oder zu verletzen oder auch, wenn mit ihrer Hilfe Dinge ausgedrückt werden, die nicht gerne gehört werden. Simon Ensor brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Jegliche Werkzeuge in Schülerhand bedeuten Ärger“.
Zur Produktion von Podcasts mit SchülerInnen gibt es mehrere Möglichkeiten, die es sich anzuschauen lohnt. Dazu gehören Audioboo, iPadio, Soundcloud und Youtube. Alle diese Internetdienste bieten den Usern von Smartphones egal welcher Art (iPhone, Android …) inzwischen kostenlose Apps an, die es Jedem erlauben, zum Produzenten seiner Werke zu werden.
Das wohl einfachste Interface bietet Soundcloud an, jedoch sind auch alle anderen Apps intuitiv und einfach aufgebaut. Sie alle bieten die Möglichkeit, über das Smartphone Audio- oder (bei Youtube) auch Videoaufnahmen zu erstellen, die dann von der App ins Internet hochgeladen werden und von dort aus zugänglich gemacht, abgespielt, in andere Webseiten und soziale Netzwerke eingebettet werden können.
Wieso nun Podcasting anstelle eines regulären Unterrichtsgesprächs? Laut Ensor spricht für das Podcasting die gesteigerte Motivation, die darauf beruht, dass die SchülerInnen die Möglichkeit erhalten, ihre Erinnerungen festzuhalten. So haben die sprachlichen Produkte nicht nur Bedeutung für den Produzenten, dem sie „gehören“, sondern sie erhalten durch das Teilen mit Anderen auch eine Art Gemeinschaftswert.
Diese persönlichen Erinnerungen als Sprachaufzeichnungen festzuhalten bietet sich auch deshalb an, weil zu Beginn des Medienzeitalters und vor der Erfindung des Fernsehens zuerst einmal die Stimme per Rundfunk ausgestrahlt werden konnte. So erinnert Ensor an George Orwells Hörspiel „Krieg der Welten“, welches im Jahre 1938 für großen Aufruhr sorgte und schon damals den Einfluss der Stimme vergegenwärtigte. Allerdings ist es natürlich so, dass jegliches Medium dem, der es nutzt, um etwas publik zu machen, eine Stimme verleiht – egal ob heute oder vor 40 Jahren. Gab es früher im schulischen Bereich Schülerzeitschriften und –zeitungen, Theateraufführungen, das Schulradio oder die Ausstellungen von Kunstwerken, werden heute stattdessen Blogs, Webseiten, Filme, Podcasts und QR-Codes eingesetzt. Die Konstante dabei ist die Stimme der SchülerInnen, die so gehört wird.
Anders als noch vor wenigen Jahren, wo noch große, unhandliche und oft teure Gerätschaften für Sprachaufzeichnungen benötigt wurden, bietet das Smartphone die Möglichkeit, überall etwas aufzuzeichnen, seien es nun Geräusche (z.B. die einer fremden Stadt beim Schüleraustausch), gelesene Literatur (z.B. für Erstklässler), selbst erfundene Geschichten, die Erinnerungen von alten Menschen, die so der Nachwelt zugänglich gemacht werden können, ein Webradio, Interviews, Audioguides, eine „sprechende Gallerie“ (Bilder mit QR-Codes, die so sprachlich begleitet werden) oder auch das effektive Training für mündliche Prüfungen (wie z.B. die ab dem Abitur 2014 in Baden Württemberg verpflichtende Kommunikationsprüfung in einer lebenden Fremdsprache). Schließlich können auch gute SchülerInnen ihren MitschülerInnen an ihrem Wissen teilhaben lassen und so im Rahmen der Binnendifferenzierung einen Teil der LehrerInnenrolle übernehmen und den SchülerInnen kann die Möglichkeit geboten werden, öffentlich das Gelernte umzusetzen, was widerum dem Lehrer dazu dient, einzuschätzen, in wie fern das Lernziel erreicht wurde. Dies könnte z.B. so aussehen:
Ein besonderes Highlight bietet Audioboo mit der Möglichkeit, seine Boos mit Hilfe von Geolocation auf einer Karte darzustellen. So kann man z.B. ein akustisches Reisetagebuch führen, aber es kann auch dazu eingesetzt werden, bestimmte für einen Ort typische Geräusche aufzuzeichnen und dort zu lokalisieren (z.B. Akzente). Natürlich sollte diese Funktion bewusst aktiviert und zum Schutz der SchülerInnen regulär deaktiviert werden.
Der Vorteil von iPadio liegt darin, dass sehr lange Aufnahmen möglich sind (bis zu 60 Minuten) und Live-Streaming ebenso verfügbar ist wie ein RSS-Feed eines Kontos.
Der Einsatz des Smartphones leistet der Spontaneität von Äußerungen Vorschub, ist dank der intuitiv zu bedienenden Apps einfach und jegliches Produkt kann in sozialen Netzwerken, auf Blogs, Webseiten usw. geteilt werden. Meist kann dies mit einem Klick bewerkstelligt werden, z.B. durch einfach zu erhaltende Einbettcodes, die die Webdienste anbieten. Solch ein Einbettcode wird kopiert und auf der entsprechenden Webseite eingefügt und sofort erscheint ein Player, mit dem man die Aufzeichnung anhören kann, ohne die entsprechende Webseite zu verlassen. Und auch wenn manche Bloganbieter wie wordpress.com manche Einbettcodes (<object>, <iframe>) nicht zulassen, so werden entweder passende Formate angeboten, es gibt einen einfachen Workaround (z.B. über Gigya) oder die Sprachdatei kann in der eigenen Dropbox öffentlich zugänglich abgelegt werden und über einen WordPress-Shortcode abgespielt werden. Alternativ kann man sie auch in der Dropbox von Public Voices ablegen. Kurzum: für jedes auftretende Problem gibt es für gewöhnlich eine einfach Lösung, die man mit etwas Suchen im Netz findet.
Natürlich hat auch diese Methode Schattenseiten: So muss der Lehrer über unterrichtsbezogene Produktionen stets die Kontrolle behalten (z.B. durch einen Klassenaccount), das Thema Copyright muss im Vorfeld mit den SchülerInnen besprochen werden, die SchülerInnen müssen lernen, den Verlockungen, die die Anonymität im Netz mit sich bringt, zu widerstehen und es muss sichergestellt werden, dass für die SchülerInnen durch die Nutzung der neuen Medien keinerlei Gefahr besteht.
Prinzipiell gilt zudem, dass jeder Schüler das Recht an der eigenen Stimme hat und sich somit einverstanden erklären muss, dass seine Sprachaufzeichnungen öffentlich gemacht werden. Dies kann zu einer erhöhten Motivation führen, auch wenn es so manchen Schüler vielleicht etwas Überwindung kostet, die eigene Stimme aufzunehmen und anzuhören. Bei Minderjährigen bedarf es natürlich ebenso dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten, die – laut meinen Erfahrungen – teilweise recht besorgt reagieren, wenn ihr Kind im Internet dermaßen „exponiert“ wird. Allerdings sollten sich die meisten Eltern von guten Argumenten überzeugen lassen und den Nutzen von Podcasting in der Schule verstehen. Schließlich liegt es nicht zuletzt beim Lehrer, sich dahingehend fortzubilden, um den SchülerInnen einen maximalen Schutz bieten zu können ohne sie in einen virtuellen Raum (z.B. eine abgeschottete Moodle-Plattform) einzusperren.
Eins der größten Probleme, mit dem ich mich konfrontiert sah, als ich beschloss, meine diesjährige Kursstufe 1 (Klasse 11) Englisch anstatt des traditionellen Heftes einen privaten Blog führen zu lassen, auf dem im Hinblick auf die Kommunikationsprüfung im Abitur auch Sprachaufnahmen veröffentlicht werden sollten, war die Tatsache, dass jegliche Web 2.0 – Tools wie iPadio und Audioboo zwar ihre Dienste kostenlos anbieten, man jedoch auf jegliche Privatsphäreeinstellungen verzichten muss. D.h. alles was über einen Klassenaccount aufgenommen wird, kann theoretisch im öffentlichen Feed der Seite erscheinen. Jedoch gibt es auch hierfür eine einfach Lösung: man betitelt die MP3-Dateien mit sinnlosen Zahlen- und Buchstabenkombinationen, sodass die Relevanz des Beitrags als gleich Null eingestuft wird und somit nicht im öffentlichen Feed gelistet werden wird.
Je älter die SchülerInnen sind, desto mehr sollte man sowohl auf die Potenziale als auch auf die Gefahren des Internets eingehen. Hierzu lohnt es sich, ausgewählten Menschen zu folgen und so auch den Einfluss von Smartphones auf das Weltgeschehen zu verdeutlichen, z.B. indem man vor Augen führt, dass Berichte, die dank eines Smartphones der Welt zugänglich gemacht werden können, durchaus eine Revolution auslösen können.
Es ist klar, dass nicht jede Klasse von jeder Schule und bei jedem Lehrer dafür geeignet ist, mit Podcasts zu arbeiten. Zum einen hängt ein erfolgversprechender Einsatz von Podcasting von der Einbettung in ein pädagogisches Gesamtkonzept ab und davon, wie das Medium didaktisiert wird. Hinzu kommt unsere Abhängigkeit von technischen Gegebenheiten, mit denen wir leben müssen. Schließlich spielt auch die Offenheit der Menschen, mit denen wir arbeiten, eine große Rolle.
Alles in Allem eine gelungene Fortbildung, bei der Simon Ensor bewies, dass er weiß wovon er spricht und dazu fähig ist, dies auch Kollegen zu vermitteln. Sein Vortrag war geprägt von einem gut strukturierten Aufbau und einer sehr angenehmen Vortragsweise, die Zwischenfragen jederzeit zuließ.
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