Seit Jahren beklagen sich einerseits Lehrkräfte aller Schularten und auch weiterführende Bildungseinrichtungen und Betriebe darüber, dass Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Lernenden abnehmen. Wirtschaftlich gesehen geht es Deutschland zwar noch sehr gut, doch hat Deutschland längst etwas von seinem innovativen Ruf als Land der Dichter und Denker eingebüßt und es ist nur eine Frage der Zeit, bis andere Nationen uns im innovativen Bereich endgültig überholen. Zudem gibt es Studien wie die ICILS-Studie 2018 zu den Kompetenzen von Lernendem im digitalen Bereich, die zu einem für Deutschland katastrophalen Ergebnis geführt haben, während es gleichzeitig den Europäischen Referenzrahmen für digitale Kompetenzen (DigComp + DigComp Edu), die KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ und Bildungspläne gibt, die versuchen dem Zeitalter der digitalen Transformation gerecht zu werden.
Wenn man das Verhältnis von Schule und Gesellschaft genauer unter die Lupe nimmt, dann wird klar, dass das Bildungssystem, das aus dem Zeitalter der Industrialisierung stammt und auf Idealen der Aufklärung beruht, die Aufgabe hatte, konforme Arbeiter auszubilden, die in der Schule auf technischen Inventionen beruhendes statisches Wissen erwarben, um ihren Beitrag zur damaligen Gesellschaft zu leisten. Daher war das Bildungssystem damals lehrerzentriert und auf akademische Exzellenz ausgerichtet und prägte die Idee des Unterrichts anhand eines Bildungskanons. Im Zeitalter der Digitalen Transformation bzw. der Digitalität genügt es jedoch nicht, Wissen zu neuen Erfindungen zu erwerben, denn dieses Wissen ist für alle frei verfügbar und von Natur aus dynamisch. Wir leben außerdem in einer hoch komplexen und sich stets weiterentwickelnden Welt, die auf Partizipation beruht und in der alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens vernetzt sind. Statt statischem Wissen benötigen wir heute flexible und kreative Köpfe, die aufbauend auf dem aktuellen Wissensstand die Probleme lösen können, mit denen wir kämpfen (z.B. Klimawandel) und die in Zukunft auf uns zukommen werden, von denen wir jedoch noch keine Vorstellung haben. D.h. Bildung muss die Lernenden dazu befähigen, diese Aufgaben gemeinsam anzugehen und kontinuierlich neues Wissen zu generieren, um eine fortwährende Innovation zu ermöglichen. Dazu bedarf es nicht unbedingt akademischer Exzellenz, sondern es müssen Kompetenzen erworben werden, die nicht gelehrt werden können, sondern aktiv gelernt werden müssen. Dies bedeutet, dass nicht mehr in Kategorien wie Unterricht und Lehrerzentrierung oder -steuerung gedacht werden darf, sondern die Lernenden im Mittelpunkt stehen und Verantwortung für ihr Lernen übernehmen müssen. Es bedeutet auch, dass sich die Schule als Institution neu erfinden und ein Gegengewicht zum überall verfügbaren Wissen bieten muss.
Sir Ken Robinson hat bereits 2011 auf diesen Paradigmenwechsel hingewiesen, wie er in vielen Ländern, so z.B. Großbritannien und Australien, bereits seit Jahren in neue Bildungskonzepte integriert wird.
Was bedeutet dies nun konkret für das Lernen im 21. Jahrhundert und post-Corona?
Es bedeutet, dass zum einen reflektiert werden muss, inwiefern das heutige Bildungssystem umstrukturiert und neu gedacht werden muss. Dies könnte beispielsweise dazu führen, dass auf die Problemfelder, die während der Corona-Pandemie identifiziert wurden, nicht nur hingewiesen wird, sondern sie analysiert und Lösungen erarbeitet werden, die ohne jahrelange Forschung implementiert und dann ggf. agil optimiert werden.
Zum anderen bedeutet es jedoch auch, dass man offen sein muss für Veränderungen und nicht davon ausgehen sollte, dass alles so bleibt, wie es ist. D.h. man muss lernen, die Zukunft anhand von Signalen bzw. Trends zu antizipieren. Dabei ist es wichtig, Potenziale zu nutzen, und lösungsorientiert an Herausforderungen heranzugehen, anstatt sich von den Herausforderungen bremsen zu lassen.
Wie dies umgesetzt werden könnte, lesen Sie im Artikel Zeitgemäßes und zukunftsorientiertes Lernen.
Dieser Text basiert auf einem ebenfalls von mir geschriebenen Text, der unter einer CC BY-SA-Lizenz auf der Seite des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg veröffentlicht wurde.