Futures Thinking: Signale der Zukunft

0

Uns begegnen täglich Hinweise auf die Zukunft im Alltag. Vielleicht lesen wir von neuen wissenschaftlichen Durchbrüchen im Bereich von Impfungen ohne Nadel, die Nachrichten informieren uns über neue Erkenntnissen im Bereich der Quantencomputer, oder aber wir hören im Radio von einem neuen Gesetz, wie zum Beispiel das in Kalifornien, das Bots verbietet, sich als Menschen auszugeben. Diesen Signalen kommt im Futures Thinking eine besondere Bedeutung zu. Sie sind Anhaltspunkte dafür, wie sich die Zukunft entwickeln könnte und bringen sozusagen Licht ins Dunkel der Zukunft. Natürlich sagen sie die Zukunft nicht voraus, aber wenn wir auf die Dinge achten, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, dann bleiben wir wachsam und können Entwicklungen und ihre Bedeutung für uns und die Zukunft besser einschätzen – und sie gegebenenfalls aktiv unterstützen oder ihnen entgegenwirken bevor es zu spät ist.

Signale sind konkrete Beispiele der Zukunft in der Gegenwart. Meist handelt es sich um lokale Ereignisse oder Entwicklungen, die sich in Randbereichen der Gesellschaft bzw. Interessennischen abspielen, die man gerne nicht weiter beachtet. Oft geht es um neue Technologien, wissenschaftlichen Durchbrüche, neue Geschäftsmodelle, Regierungsprojekte oder auch demografische Veränderungen.

Um diese Signale der Zukunft richtig zu interpretieren, kann man einige grundlegende Fragen stellen:

  • Um was für eine Art der Veränderung geht es? Von was zu was?
  • Was hat diese Veränderung verursacht? Welche treibende „Zukunftskraft“ steckt dahinter?
  • Wie wird die Welt in 10 Jahren wohl aussehen, wenn dieses Signal stärker wird und weitverbreitet ist?
  • Handelt es sich um eine Zukunft, die ich unterstützen möchte?

Um ein Beispiel aus dem Gamingbereich zu nennen: Zum einen zeigen neue Erkenntnisse, dass Videospiele Kompetenzen trainieren, die auch in der realen Welt Probleme lösen helfen können. Zum anderen gibt es ein neues Tool, welches auswertet, welche jobrelevanten Soft-Skills Gamer in verschiedenen Spielen erwerben.

  • Während Videospiele früher oft als Flucht aus der Realität gesehen wurden, zeigt sich nun, dass es einen wertvollen Zusammenhang zwischen Spielen und der Realität gibt.
  • Die dahintersteckende treibende Kraft ist das menschliche Bedürfnis, Selbstwirksamkeit zu spüren.
  • Wenn dieser Trend anhielte, käme es zu einem Empowerment für die Gamer dieser Welt, die potenziell dabei helfen könnten, die Welt maßgeblich zu verändern.
  • Da ich in dieser Entwicklung ein großes Potenzial sehe, möchte ich gemeinsam mit Gleichgesinnten einen Prototypen eines Spiels entwickeln, welches dazu beitragen könnte, die Welt zu verbessern.

Tatsächlich gibt es übrigens bereits Beispiele, wo Gamer reale Probleme lösen helfen.

Weitere Beispiele für solche Signale sind z.B. Strategien verschiedener Kulturen, mit dem Klimawandel umzugehen (> potenziell könnten wir in der Zukunft wieder mehr lokale Produkte einkaufen) oder eine Spende von Solarpanels an Obdachlose (> Internetzugang wird als ein Menschenrecht erkannt)

Um Signale zu finden, kann man ganz unterschiedliche Dinge zur Gewohnheit werden lassen:

  • Futuristen auf Sozialen Netzwerken wie Twitter oder TikTok folgen
  • Täglich „Zukunft von X“ googeln oder einen Google Alert einrichten
  • entsprechende Newsletter abonnieren
  • (meist englischsprachige) einschlägige Webseiten konsultieren: z.B. Science Daily, Medical Express, Tech Crunch, Geek Wire, Wired etc.
  • seine Mitmenschen fragen, welche ungewöhnlichen Dinge sie in letzter Zeit gesehen oder gehört haben

Wenn man interessante Signale wahrnimmt, ist es wichtig, sich gedanklich damit auseinanderzusetzen, zu versuchen, sie zu interpretieren und aktiv etwas damit zu tun, z.B. indem man jemandem davon erzählt oder weiter nachforscht.

Die Frage, ob es sich nur um eine unbedeutende Meldung handelt oder nicht, ist manchmal nicht einfach zu beantworten, doch wenn man die Suche nach Zukunftssignalen in seinen Alltag integriert und relevante Themen eine Weile verfolgt, dann kann man sich relativ schnell auf seine Intuition verlassen.

Um die Fähigkeit, Veränderungen zu bemerken, zu trainieren, gibt es ein ganz einfaches Gedankenspiel: In die Vergangenheit blicken, um die Zukunft zu sehen. Konkret bedeutet dies, dass man 10 Jahre in seine eigene Vergangenheit blickt, und einen ganz bestimmten Aspekt mit heute vergleicht. Dabei merkt man sehr schnell, wie viel sich in den letzten Jahren eigentlich verändert hat. Dies bemerken wir oft im Alltag gar nicht, weil wir uns automatisch den Veränderungen anpassen und sie gar nicht auf lange Sicht reflektieren. Daher hilft diese bewusste Rückbesinnung sehr gut, um ein Gespür für Veränderungen zu entwickeln.

Wenn ich 10 Jahre in meine berufliche Vergangenheit blicke, so war mein größter Wunsch vor 10 Jahren, eine Versetzung an eine Schule zu erwirken, mit der ich mich identifizieren könnte. Ich war damals noch absolut überzeugt davon, dass ich dazu berufen sei, Lehrerin zu sein und die Welt so verändern würde. Zu dieser Zeit erhielt ich auch die ersten Anfragen für Workshops, weil ich mich mit digitalen Medien beschäftigte. Ich steckte damals von heutigen Standpunkt aus jedoch noch sehr in der technischen Ebene fest. Vor 9 Jahren wurde der Wunsch der Versetzung erfüllt und ich dachte, dass ich an meiner neuen alten Schule, an der ich selbst Abitur gemacht hatte, endlich angekommen sei. Fast forward 10 Jahre: seit 5 Jahren bin ich nun am Landesmedienzentrum beschäftigt. Nach Stuttgart war ich drei Jahre mit 70% meiner Unterrichtsverpflichtung freigestellt, und seit 2019 bin ich nun mit 100% meiner Unterrichtsverpflichtung nach Karlsruhe freigestellt und mittlerweile Teamleiterin Innovation – und dies obwohl ich 120km von Karlsruhe entfernt wohne. Nebenberuflich erhalte ich regelmäßig Anfragen aus aller Welt für Workshops, Vorträge und Artikel im Bereich des zukunftsorientierten Lernens, aber auch immer mehr Beratungsanfragen von ganz unterschiedlichen Auftraggebern. Beruflich hat sich mein Leben also in den letzten 10 Jahren um 180 Grad gedreht und ich bin zufriedener denn je, weil ich Selbstwirksamkeit erfahre. Auch wenn mir vieles mit Blick auf die Zukunft noch zu langsam geht, so habe ich meinen Wunsch, die Welt zu verändern, nach einem kleinen Einbruch des Elans vor ca. fünf Jahren, nicht aufgegeben, sondern bin heute mehr denn je davon überzeugt. Eine Rückkehr in die Schule, ein Leben, das von 24 Klassenarbeiten im Jahr bestimmt wird und auch die Arbeit mit mehr als 200 Menschen pro Tag, kann ich mir momentan nicht mehr vorstellen – obwohl es vor 10 Jahren das war, wovon ich dachte, dass ich es die nächsten 30+ Jahre machen würde. Ich denke heute viel langfristiger, als ich dies früher konnte – und ich sehe die Zukunft tagtäglich vor mir. Und auch wenn ich mitunter belächelt werde für meine Überzeugungen, meinen Wunsch die Welt zu verändern, und für eher visionäre Ideen wie das Konzept zur Schule 2035, so lasse ich mich davon schon längst nicht mehr aus der Bahn werfen. Denn entweder entwickelt sich ein konstruktives Gespräch daraus oder mein Gegenüber ist einfach noch zu sehr in der Gegenwart gefangen, als dass wir eine gemeinsame Gesprächsbasis haben. Hier bleibt dann nur zu hoffen, dass meine Denkanstöße vielleicht doch langfristig einen Effekt haben werden, denn nichts hält uns mehr davon ab, durch die bewusste Wahrnehmung von Signalen von der Zukunft zu lernen, als wenn wir entweder von der Gegenwart überwältigt sind oder in der Vergangenheit feststecken.

Dieser Artikel basiert auf dem Kurs “Ready, Set, Future! Introduction to Futures Thinking” mit Jane McGonigal auf Coursera. 

Bildquellen

Share.

Comments are closed.